Karriere im Handwerk auch mit Abitur möglich

Die Handwerkskammer Ulm macht sich für eine verbesserte Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen stark – insbesondere an Gymnasien. Die Kammer sieht in den aktuellen Bildungsreformen eine Gelegenheit, die Berufsorientierung in Richtung Handwerk zu forcieren und jungen Menschen einen besseren Übergang von der Schule in das Berufsleben zu ermöglichen. Das Handwerk in der Region gewinnt vor allem auch für Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zunehmend an Attraktivität. So hat sich der Abiturientenanteil an der Gesamtzahl der neuen Auszubildenden in den vergangenen Jahren erfreulich entwickelt: Die Abiturientenquote beträgt in diesem Jahr kammerübergreifend mehr als 17 Prozent. Dazu sagt Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm. „Das ist ein positiver Trend, der sich aber noch weiter fortsetzen muss. Nur dann können wir den sich weiter verschärfenden Fachkräftebedarf in den Griff bekommen. Es ist wichtig, dass wir die Berufsorientierung an allen Schularten ausbauen, auch an den Gymnasien. Denn unser Handwerk bietet Platz für Absolventen aller Schulen. Wir brauchen auch die Besten, um unsere Betriebe und die anspruchsvollen Kundenwünsche bedienen zu können.“

Das Karl Maybach Gymnasium Friedrichshafen ist – stellvertretend für viele weitere Gymnasien zwischen Ostalb und Bodensee – ein gutes Beispiel für gelungene handwerkliche Berufsorientierung an weiterführenden Schulen. Am allgemeinbildenden, städtischen Gymnasium am Bodensee gibt es die gesamte Bandbreite an verschiedensten Berufsorientierungsangeboten für ihre Schülerinnen und Schüler: Das Karl-Maybach-Gymnasium nimmt jährlich an den Berufsorientierungstagen im Förderprogramm ProBerufGym teil, an denen die Schüler an der Bildungsakademie der Handwerkskammer in Friedrichshafen in verschiedenen Berufsfeldern anhand von beruflichen Anwendungsfällen praktische Erfahrungen sammeln, Berufe ausprobieren und diese im Wortsinne beGREIFEN. Darüber hinaus berichten Auszubildende im Förderprogramm „Initiative Ausbildungsbotschafter“ in Schulklassen über ihren beruflichen Werdegang. Beide Angebote sind gefördert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg. Zudem wird eine Bildungspartnerschaft mit einem Handwerksbetrieb gepflegt, der Knoblauch GmbH. So werden jedes Jahr Berufsorientierungsangebote durchgeführt und die Partnerschaft Schule-Betrieb aktiv gelebt. Ebenso beteiligt sich das Gymnasium am Online-Schülerwettbewerb „MeisterPower“, bei dem sich die Jugendlichen in die Rolle eines Handwerkschefs versetzen und die betriebswirtschaftliche Kompetenz geschult wird.

Beeindruckendes Endprodukt eines KooBo-Jahres: 1.200 Halbkugeln – für die ebenso viele Löcher in die Betonwand gebohrt werden mussten – wurden einzeln bearbeitet, platziert und zur Weltkarte geformt. Auch die Sitzgelegenheiten haben die Schüler des Karl Maybach Gymnasiums Friedrichhafen gemeinsam mit der Firma Knoblauch gefertigt. Bildquelle: Handwerkskammer Ulm

Breit gefächertes Angebot und Projekte mit Praxisbezug

Ein wichtiges Projekt ist seit vielen Jahren die Teilnahme am Programm Kooperative Berufsorientierung, kurz KooBo. Schülerinnen und Schüler arbeiten über ein ganzes Schuljahr hinweg mit Handwerksbetrieben und weiteren Kooperationspartnern an einem realen beruflichen Problem. Am Ende des Schuljahres entsteht ein Produkt oder eine Lösung, darauf folgt die Projektpräsentation. Die Schüler können so berufliche Erfahrungen sammeln und werden bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Das Projekt „Kooperative Berufsorientierung“ wird gefördert vom Europäischen Sozialfonds und der Bundesagentur für Arbeit. „Wir müssen die jungen Menschen besser für das Leben danach vorbereiten und orientieren. Dazu gehört frühzeitige und umfassende Orientierung über ihre individuellen beruflichen Möglichkeiten statt allein Angebote eines akademischen Einheitsweges. Das Karl Maybach Gymnasium Friedrichshafen geht hier mit gutem Beispiel voran“, lobt Mehlich das Engagement der Schule. Weshalb das Karl-Maybach-Gymnasium die handwerklichen Berufsorientierungsangebote so zahlreich nutzt, erläutert Schulleiter Christoph Felder: „Die Schüler wollen sich als selbstwirksam erleben, mit Herz und Hand zupacken und sich dann über das Ergebnis freuen. Wer die Theorie noch mehr liebt als die Praxis, geht gleich studieren. Wer mehr Freude an der Praxis hat, erdet sich zuerst im Handwerk. Weiterbildung und Aufstieg sind möglich: Meisterschule, Fachhochschule oder Universitäten – alle Wege stehen offen. Das soll für unsere Schüler erlebbar werden, das ist das Ziel unserer Kooperation.“

In den regionalen Betrieben warten flexible Karrierewege und künftige Führungsaufgaben auf die Abiturienten. Handwerksbetriebe arbeiten mit den Technologien von morgen. Sie bieten jungen Menschen eine Perspektive und sie tragen mit ihren praxistauglichen und innovativen Ideen dazu bei, den Wohlstand in unserer Region zu erhalten. Kombiniert man die Ausbildung mit einem Meistertitel, liegt der Lebensverdienst schnell gleichauf oder sogar über dem Durchschnittsverdienst eines Akademikers. Und: Wer trotzdem noch studieren will, kann das durch die fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung mit dem Gesellenbrief und der allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung mit dem Meisterbrief.